Trends und Herausforderungen im Retail Banking

Das Privatkundengeschäft hat sich in den letzten 25 Jahren erheblich weiterentwickelt. Von der Einführung des Onlinebankings bis hin zu Mobile Apps hat die Technologie die Art und Weise, wie Millionen von Menschen ihre Finanzen verwalten, transformiert.

Die technologische Entwicklung schreitet dank Künstlicher Intelligenz (KI), den sich ändernden Kundenerwartungen und den wachsenden Ambitionen grosser und etablierter Einzelhändler, die nach neuen Einkommensquellen suchen, mit noch grösserer Geschwindigkeit voran. Dies zwingt die Banken dazu, ihre Strategien zu überdenken und sich anzupassen, um relevant zu bleiben.

In diesem Artikel befassen wir uns mit drei wichtigen Herausforderungen und Trends im Bankgeschäft, die jede Retailbank auf dem Radar haben sollte – von neuen Wettbewerbern über die Verbreitung von KI bis hin zu veränderten Kundenerwartungen. Vor allem aber gehen wir der Frage nach, wie Banken diese neue Ära des „Smart Bankings“ meistern und die Herausforderungen in Chancen verwandeln können.

Eine neue Generation von Wettbewerbern

 

In der modernen Bankgeschichte standen die Banken grösstenteils im Wettbewerb mit anderen Banken. Es gab unterschiedlich grosse und unterschiedlich strukturierte Banken, aber meistens konkurrierten diese um die Inhaber:innen von Girokonten, denen sie verschiedene Dienstleistungen anbieten oder verkaufen konnten. Aber der Wettbewerb hat sich in den letzten Jahren verändert, und es gibt Anzeichen dafür, dass er sich in Zukunft noch drastischer verändern wird.

Der Aufstieg der Neobanken

Das letzte Jahrzehnt war geprägt vom Aufstieg der Neobanken und ihren attraktiven, rein digitalen Angeboten. Sie konkurrierten mit den traditionellen Banken nicht durch das Angebot besserer Finanzprodukte und -dienstleistungen, sondern indem sie ihren Kund:innen eine bessere User Experience boten. Die Neobanken legten den Schwerpunkt auf Design und Benutzerfreundlichkeit, indem sie es den Kund:innen ermöglichten, alle Bankgeschäfte problemlos in einer einzigen App zu erledigen. Dadurch entfiel die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen Anwendungen und Geräten zu wechseln oder eine Filiale aufzusuchen. Diese Strategie war so erfolgreich, dass Revolut, eine der grössten Neobanken Europas, im Jahr 2023 eine Million neue Kund:innen pro Monat gewinnen konnte. Andere Neobanken, wie Monzo in Grossbritannien und N26 in Deutschland, wachsen ähnlich schnell.

Viele traditionelle Retailbanken haben reagiert, indem sie ihre eigenen Apps benutzerfreundlicher gestaltet oder völlig neue, rein digitale Marken zu hohen Kosten eingeführt haben. So z. B. Hello Bank! von BNP Paribas, die 2013 80 Millionen Dollar gekostet haben soll. Doch im nächsten Jahrzehnt könnte es eine völlig neue Art von Wettbewerbern geben – keine Fintech-Startups mit globalen Ambitionen, sondern bestehende globale Einzelhändler mit grossem Kundenstamm, die sich in die Finanzwelt einmischen.

Consumer Brands im Bankwesen

Die Einführung der Apple Card im Jahr 2019 war für das wertvollste Unternehmen der Welt ein wichtiger erster Schritt ins Retailbanking. Obwohl Apple ein erfolgreiches Hardware-Unternehmen ist, sah es die Chance, den von grossen Banken dominierten Markt mit einer neuen Kreditkarte zu erobern, die verbraucherfreundlichere Funktionen als die seiner Konkurrenz bietet. Entscheidend war, dass es Apple gelang, seine neue Apple Card an einen grossen und treuen Kundenstamm zu vermarkten. Durch die Partnerschaft mit Goldman Sachs (einem der wenigen Finanzinstitute, welche die Apple Card mehr als Chance, denn als Bedrohung betrachtete) konnte Apple innerhalb von fünf Jahren 12 Millionen Kreditkartennutzer:innen gewinnen.

Dieser Trend, die so genannte Embedded Finance, wurde durch das Aufkommen von Open Banking und Banking as a Service (BaaS) ermöglicht, die es Nicht-Banken erlaubt, Bankdienstleistungen innerhalb ihrer Dienste anzubieten, ohne selbst eine vollwertige Bank zu werden.

Mehrere andere Consumer Brands sind bereits mit eigenen Finanzdienstleistungen in den Retailbanking-Bereich eingestiegen oder sind dabei, dies zu tun, wie z.B. Booking.com (Zahlungsabwicklung), IKEA (Kreditfinanzierung) und Uber (Zahlungskarten und Mobile Wallets. Viele Consumer Brands haben jedoch ein grösseres Ziel vor Augen: Sie wollen die erste echte Super-App der westlichen Welt werden. Elon Musk zum Beispiel hat öffentlich sein Bestreben geäussert, dass X (ehemals Twitter) dem Erfolg von WeChat in China nacheifern soll, das seinen Nutzern neben Messaging- und Social-Media-Funktionen auch das Bezahlen, Versenden von Geld und Bezahlen von Rechnungen ermöglicht.

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Sobald Consumer Brands ihren Schwerpunkt darauf verlagern, Retailbanking-Kund:innen zu ihren eigenen Angeboten zu locken, stehen Banken vor einer wichtigen strategischen Entscheidung. Felix Buschor von der Universität Luzern stellt fest, dass viele Banken zwar zögern, ihre Schnittstellen zu öffnen, weil sie befürchten, Kundenbeziehungen zu verlieren, dass dieser Wandel aber auch erhebliche Chancen bietet. Er schlägt vor, dass Banken, die eine aktive Rolle beim Open Banking übernehmen, die Kundenbindung stärken und wertvolle Daten über ihre Kund:innen gewinnen können. 

Die Banken könnten den Ansatz von Goldman Sachs übernehmen und Partnerschaften mit Verbrauchermarken eingehen. Sie könnten diese Umwälzung als Chance sehen, die Erwartungen moderner Kund:innen an eine digitale und nahtlose mobile-first Banking Experience zu erfüllen. Das Risiko besteht jedoch darin, die Banken letztlich zu „Hüllen“ für Bankdienstleistungen werden und ihre verbraucherorientierte Marke mit der Zeit an Relevanz und Wert verliert.

KI ist überall

Künstliche Intelligenz (KI) wird das Retailbanking in einer Weise revolutionieren, die wir noch nicht vollständig verstanden haben – zumal KI ein wichtiger Wegbereiter für Smart Banking ist, das neue Technologien nutzt, um den Kund:innen eine personalisierte, effiziente und sichere ¨Banking Experience zu bieten.

Während Banken über die Auswirkungen von KI auf wichtige Themen wie Compliance und Datenschutz nachdenken, nutzen sie KI zunehmend, um verschiedene Bereiche ihrer Geschäftstätigkeit zu verändern – vom Kundenservice und Risikomanagement über Marketing und Produktentwicklung bis hin zu finanzieller Inklusion und Barrierefreiheit.

Der Einsatz von Generativer KI

Einer der vielversprechendsten Anwendungsfälle von KI im Retail Banking ist der Einsatz von Generativer KI (die Technologie hinter ChatGPT), die das Potenzial hat, sowohl das Kundenerlebnis als auch die betriebliche Effizienz erheblich zu verbessern. So kann Generative KI beispielsweise hochgradig personalisierte und ansprechende Kundenerlebnisse schaffen, wie etwa virtuelle Assistent:innen, die Anfragen verstehen und in Echtzeit beantworten. Dies verbessert nicht nur das Kundenerlebnis, sondern entlastet auch die Bankangestellten, die sich auf komplexere und wertvollere Aufgaben konzentrieren können. Bei G+D Netcetera haben wir eine Reihe von KI-gestützten Dienstleistungen für Bankkund:innen entwickelt, darunter unseren KI-Bankassistenten, der die Kundenerfahrung und betriebliche Effizienz verbessert. Auch unsere DocDive-Plattform kann von Banken zur Vereinfachung von Arbeitsabläufen genutzt werden. Mitarbeitende können Fragen an einen KI-Assistenten stellen, der Tausende von gespeicherten Dokumenten durchsucht und präzise, regelkonforme Antworten und Verweise auf die relevanten Dokumente liefert.

KI in der Dokumentenverarbeitung und -analyse

Auch in der  Dokumentenverarbeitung und -validierung kann KI einen grossen Einfluss haben. Da Banken grosse Mengen an Dokumenten bearbeiten (z. B. Kreditanträge, Kreditauskünfte, KYC- und AML-Prüfungen), lassen sich mit KI-gestützten Tools für die Dokumentenverarbeitung erhebliche Effizienzgewinne erzielen. Durch die Automatisierung einiger oder aller dieser Aufgaben können Fehler reduziert werden, während gleichzeitig die Einhaltung der Branchenvorschriften gewährleistet ist.

KI verändert auch die Art und Weise, wie Banken Risikomanagement und Betrugserkennung angehen. Dank der Fähigkeit, grosse Datenmengen in Echtzeit zu analysieren, können KI-Algorithmen potenziell betrügerische Transaktionen oder Anträge sofort erkennen – ein wichtiger Beitrag zur Vermeidung von Verlusten und zum Schutz der Kund:innen.

Personalisierte Produkte

Banken nutzen jetzt künstliche Intelligenz, um ihren Kund:innen hochgradig personalisierte Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Durch den Einsatz von KI-Algorithmen zur Analyse von Kundendaten und -verhalten können sie individuelle Vorlieben und Bedürfnisse genau vorhersagen und so massgeschneiderte Inhalte, Produkte und Dienstleistungen für jeden Kunden anbieten. Der Einsatz von KI für ein personalisiertes Kundenerlebnis verbessert nicht nur die Kundenzufriedenheit und -treue, sondern eröffnet auch neue Einnahmequellen und Wachstumschancen.

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Je mehr die Verbraucher mit den Vorteilen der KI ausserhalb des Bankgeschäfts vertraut sind, desto mehr erwarten sie, dass Unternehmen, einschliesslich ihrer Bank, ihnen KI-gestützte Dienstleistungen anbieten. Dies bietet den Banken eine wertvolle Gelegenheit, KI zu nutzen und ihre Produkte und Dienstleistungen entsprechend zu verbessern – sowohl extern für ihre Kund:innen als auch intern, wo die betriebliche Effizienz die Leistung der Bank verbessern wird.

Omnichannel Banking

Die Technologie durchdringt alle Bereiche unseres Lebens. Lange Zeit musste man sich an seinen Desktop-Computer setzen, um digitale Bankgeschäfte zu erledigen. Dann kam das Smartphone auf und ermöglichte den Zugang zu Bankdienstleistungen von unterwegs – nicht nur über eine statische Website, sondern über intuitiv gestaltete Mobiel Apps. Bald darauf kamen intelligente Uhren auf den Markt, die bequeme Bankfunktionen wie kontaktloses Bezahlen bieten. Intelligente Lautsprecher, wie Amazons Alexa-Produkte, ermöglichten es den Menschen, das Internet per Sprachbefehl zu durchsuchen. Und es sieht so aus, als ob wir nun in die Ära der intelligenten Kopfhörer eintreten. Während virtuelle Treffen mit Finanzberatern bereits über Plattformen wie Microsoft Teams genutzt werden, experimentieren Banken nun mit KI-gestützten Beratungsagenten – können Sie sich vorstellen, von einem KI-Agenten direkt in Ihrer Banking App eine personalisierte Finanzberatung zu erhalten?

Die geräteübergreifende Nutzung von Bankdienstleistungen

Auf dem Weg zu „Technology everywhere“ verschwimmen die Unterschiede zwischen den Plattformen immer mehr. Es ist einfach, Netflix auf dem Smart-TV anzuschauen und es auf dem Tablet oder Telefon zu beenden – warum sollte das bei Banken anders sein? Die Kund:innen erwarten, dass diese Multi-Channel-Ffunktionen bei allen Dienstleistungen, die sie nutzen, vorhanden ist. Auch im Retail Banking. Laut einer Studie von Deloitte halten 70 % der Verbraucher:innen ein einheitliches Erlebnis über alle Kanäle hinweg für äusserst oder sehr wichtig bei der Wahl ihrer Hauptbank.

Dabei ist zu beachten, dass viele Kund:innen zwar gerne zwischen den Kanälen wechseln, um ihre Aufgaben zu erledigen, die meisten es aber vorziehen, die Aufgabe schnell auf einem einzigen Gerät zu erledigen. Das ist nicht nur schneller und einfacher für die Kund:innen, sondern auch positiv für die Banken, da die Erledigungsquote höher ist, wenn die Kunden die Aufgaben nicht unterbrechen und später wieder aufnehmen müssen. Während die Banken also dafür sorgen sollten, dass die Kund:innen ihre Aufgaben bei Bedarf nahtlos über verschiedene Kanäle hinweg fortsetzen können, ist es ebenso wichtig, die Self-Service-Journey auf jeder einzelnen Plattform im Hinblick auf Geschwindigkeit und Einfachheit zu optimieren.

Einige Banken stellen fest, dass ihre Kund:innen nicht nur Wert auf ein einheitliches Erlebnis legen, sondern auch Aufgaben in einer einzigen Sitzung erledigen möchten. Es scheint, dass es für viele Kund:innen am wichtigsten ist, komplexere Aktivitäten (z. B. die Eröffnung eines Kontos) zwischen verschiedenen Geräten unterbrechen und fortsetzen zu können.

Retailbanken kämpfen mit der Modernisierung ihrer Systeme

Viele Banken haben jedoch Schwierigkeiten, diese steigenden Erwartungen zu erfüllen. Ohne kontinuierliche Weiterentwicklung kann veraltete Technologie zu einem uneinheitlichen Kundenerlebnis führen. Sie könnten zum Beispiel auf der Website Ihrer Bank einen Kredit beantragen, aber feststellen, dass Sie den Prozess auf Ihrer Mobile Banking App nicht fortsetzen können, weil die beiden Plattformen nicht miteinander verbunden sind. Diese Art von Erfahrung kann so frustrierend sein, dass die Kunden den Vorgang ganz aufgeben.

Traditionelle Banken erkennen oft die Notwendigkeit einer Modernisierung, aber die Modernisierung ihrer Systeme ist technisch schwierig, zeitaufwändig und teuer. Einige Banken haben jedoch Wege gefunden, ein modernes Omnichannel-Banking anzubieten, indem sie Partnerschaften mit Drittanbietern von Softwarelösungen eingehen. G+D Netcetera zum Beispiel arbeitet mit Banken zusammen, um flexible und modulare Lösungen anzubieten, die es ermöglichen, ihre Dienstleistungen in neue Kanäle zu integrieren ohne ihr gesamtes System zu überarbeiten.

Wie können Retailbanken diese Herausforderungen meistern?

Banken haben nach wie vor einen einzigartigen Vorteil – sie verfügen über direkte Kundenbeziehungen über ihre verschiedenen Bankkanäle. Dieses bestehende Vertrauen und die regelmässige Interaktion sind ein äusserst wertvolle und können durch kontinuierliche Produktentwicklung weiter gefördert werden.

Banken, die sich diesen aufkommenden Trends anpassen – etwa durch Partnerschaften mit Verbrauchermarken, die Integration von KI in ihre Prozesse und die Bereitstellung nahtloser Multi-Channel-Erlebnisse – sind bestens positioniert, um in der Ära des Smart Banking erfolgreich zu sein. Durch Investitionen in diese Bereiche haben Banken beste Chancen für zukünftiges Wachstum und Erfolg.

 

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