Europäische Payment-Initiativen

Steiniger Weg mit grossen Herausforderungen

Die europäische Payment-Landschaft ist immer noch stark fragmentiert. Neben den internationalen Netzwerken von Mastercard und Visa bestehen zahlreiche nationale Zahlungssysteme, wie girocard oder Carte Bancaire. Verschiedene Initiativen versuchen nun, die europäische Payment-Branche zu konsolidieren. Kurt Schmid, Marketing & Innovation Director Secure Digital Payments bei Netcetera, und Dr. Carsten Wengel, Head of Sales & Distribution bei Giesecke+Devrient Mobile Security, schaffen hier einen fundierten Überblick und machen deutlich, welche Herausforderungen insbesondere die European Payment Initiative (EPI) noch zu bewältigen hat.

Europäische Payment-Initiativen sind nichts Neues. So gab es beispielsweise von 2007 bis 2013 die Euro Alliance of Payment Schemes (EAPS), die Verbindungen zwischen verschiedenen nationalen Debitkarten-Systemen geschaffen hat. Daneben haben sich in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Arbeitsgruppen zu verschiedenen Payment-Themen gebildet. So hat das European Payments Council (EPC) die Grundlagen für SEPA-Überweisungen und -Lastschriften erarbeitet. Die European Card Payment Cooperation (ECPC) konzentriert sich auf die Erarbeitung von europaweit einheitlichen Spezifikationen, die im Zusammenhang mit Kartenzahlungen erforderlich sind. Die European Digital Payments Industry Alliance (EDPIA) versteht sich als Interessenvertretung, um digitale Zahlungen weiter voranzutreiben. Und die European Mobile Payment Systems Association (EMPSA) will Mobile Payment auf der Basis von Barcode etablieren. Die einzige Initiative, die den Anspruch vertritt, ein Konzept für ein neues europäisches Kartenzahlungssystem zu erarbeiten, ist die EPI.

EPI: Airbus für den Zahlungsverkehr

Eine Motivation für die EPI ist es, für den Zahlungsverkehr so etwas auf die Beine zu stellen, wie es mit Airbus für die Luftfahrtindustrie gelungen ist: eine Lösung, die auf der Kooperation wichtiger europäischer Länder basiert und die im weltweiten Wettbewerb eine führende Rolle übernehmen kann. Die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank wollen in Europa entwickelte, wettbewerbsfähige Lösungen für digitales Bezahlen mit einer gesamteuropäischen Reichweite unterstützen. Dies erscheint ihnen wichtig, um die wirtschaftliche und finanzielle Souveränität Europas nachhaltig zu stärken.

Daher haben 16 europäische Banken und Bankengruppen am 2. Juli 2020 verkündet, dass sie die European Payments Initiative (EPI) gründen wollen. Aus Deutschland sind die DZ Bank für die genossenschaftliche Bankengruppe, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, die Commerzbank und die Deutsche Bank dabei. Dazu kommen grosse Institute und Gruppen aus Belgien, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Spanien. Die EPI hat bereits neue Industrieteilnehmer gewonnen und plant noch weitere Banken und andere interessierte Unternehmen zu gewinnen.

Das Ziel der EPI ist es, eine europaweite Zahlungslösung zu schaffen. Zu den Bausteinen sollen eine Zahlungskarte und eine digitale Wallet gehören. Es sollen alle Arten von Transaktionen in Geschäften, im E-Commerce, für Bargeldbezug sowie für Zahlungen zwischen einzelnen Personen (P2P) möglich sein. Clearing und Settlement sollen auf Basis von Instant Payment (SEPA Credit Transfer Inst, SCT Inst) erfolgen.

Händlern verspricht die EPI ein attraktives Preismodell, einfache Integrationsmöglichkeiten, interessante Zusatzleistungen, sofortige Auszahlung oder Zahlungsgarantie sowie den Zugang zu allen europäischen Verbrauchern. Die Konsumenten sollen von einer Komplettlösung über ein einziges digitales Interface mit hohem Sicherheitsniveau sowie Einfachheit bei der Registrierung und Nutzung profitieren.

Um dies realisieren zu können, benötigt die EPI zwei Säulen: Zum einen muss ein Scheme Management die Erarbeitung detaillierter Regeln, klarer Prozesse und eines Preismodells sowie die Marke verantworten. Zum anderen ist eine zentrale Einheit für die Betreuung der Infrastruktur erforderlich. Zur Infrastruktur gehören unter anderem ein entsprechendes Routing sowie zertifizierte Issuer, Acquirer, PSPs und Prozessoren.

Komplexe Aufgabenstellung

Für ein neues Kartenzahlungssystem sind eine ganze Reihe unterschiedlicher Bausteine erforderlich. Dazu gehören technische Standards und Zertifizierungsprozesse, eine Processing-Infrastruktur, ein wirksames Missbrauchs- und Risiko-Management, ein tragfähiges Geschäftsmodell mit einer entsprechenden Gebührenstruktur und Regelwerke für alle Beteiligten. Das System muss offen für alle interessierten Issuer und Acquirer sein, alle gesetzlichen Anforderungen (z.B. Geldwäsche, Datenschutz) erfüllen und sowohl unterschiedliche Anwendungsarten (POS, E-Commerce, P2P) als auch Zusatzservices, wie zum Beispiel Ticketing, unterstützen.

Die Erarbeitung von Spezifikationen und die Markteinführung kosten Zeit und Geld. Die erforderlichen Investitionen sind unter anderem davon abhängig, ob die Markteinführung durch eine Regulierung der EU-Kommission, zum Beispiel eine PSD3, unterstützt wird oder nicht. Bei einer regulatorischen Unterstützung würden die Investitionen vermutlich im Bereich von einigen hundert Millionen Euro liegen, ohne diese Unterstützung eher bei einigen Milliarden Euro.

Ein besonders kritischer Erfolgsfaktor liegt in der Frage, warum die Verbraucher ein solches neues System nutzen sollten. Mit Debit- und Kreditkarten, Mobile Payment-Lösungen und diversen E-Commerce-Zahlungsverfahren steht bereits eine ausreichend breite Palette zur Verfügung. Dazu kommt, dass andere Marktteilnehmer nicht abwarten werden, wie sich die EPI entwickelt. Oder würden Mastercard und Visa untätig dabei zusehen, wie man ihnen einen wichtigen Markt streitig macht?

Eine weitere Herausforderung liegt für die EPI im Henne-Ei-Problem. Soll man zuerst Karten und Wallets in den Markt bringen oder zunächst die Infrastruktur aufbauen? Ist es besser, mit regionalen Rollouts zu beginnen oder gleich in ganz Europa zu starten?

Die beteiligten Banken müssen dann auch noch klären, wie sie mit ihren bisherigen Cobadging-Karten umgehen wollen. Sollen auf den Karten weiterhin Lösungen von Mastercard oder Visa integriert sein, um eine weltweite Nutzung zu ermöglichen? Oder kann man den Verbrauchern auch eine Trennung zwischen einer rein europäischen Lösung und zusätzlichen Angeboten für die weltweite Nutzung überzeugend vermitteln?

Und schliesslich wäre auch noch die Frage zu klären, welchen Einfluss die Einführung von digitalem Zentralbank-Geld (E-Euro) haben würde.

Kurt Schmid meint dazu: „Auf all diese Herausforderungen muss die EPI überzeugende Antworten finden und dabei gleichzeitig die Interessen aller Beteiligten unter einen Hut bringen - keine einfache Aufgabe.“

 

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