Angefangen hat die Erfolgsgeschichte der beruflichen Wiedereingliederung eines herzkranken Menschen mit einem Telefon: Die Kundenbetreuerin der Sozialversicherungsanstalt (SVA) hat bei Regina Vogt, Head of Human Capital Management bei der Softwarefirma Netcetera, angerufen, um Möglichkeiten für den Arbeitnehmer abzuklären.
Die Wiedereingliederung steht im Zentrum der IV-Revision 6a. Bis 2018 sollen gesamtschweizerisch rund 17 000 IV-Bezüger ins Erwerbsleben zurückfinden (siehe AWP Soziale Sicherheit 9/2014). Das IV-Kompetenzzentrum des Kantons Zürich SVA geht darum aktiv auf Unternehmen zu.
«Wir haben zuerst das mögliche Einsatzgebiet definiert und intern entsprechende Abklärungen gemacht», blickt Regina Vogt zurück. Netcetera, das Unternehmen, das unter anderem unangefochtener Marktführer im Schweizer Mobile Banking ist, hat in seiner eigenen Systemadministration Möglichkeiten gefunden. «Ab diesem Zeitpunkt sind wir vorgegangen wie bei jedem anderen Bewerbungsverfahren», so Vogt. Will heissen: Das Curriculum prüfen, Gespräche führen.
350 Mitarbeiter beschäftigt Netcetera in vier Ländern. «Das wichtigste ist, die Motivation zu spüren. Wir möchten wissen, ob jemand motiviert ist, sich weiter zu entwickeln und zu lernen und ob jemand gewillt ist, sich wieder einzugliedern», sagt Regina Vogt.
Zuerst Teilzeit, dann 100 Prozent
Der 34-Jährige Mitarbeiter, den die SVA vermittelte, war offenbar überzeugend. Er konnte bei Netcetera für einen halbjährigen Arbeitsversuch anfangen. Das ist eine von diversen Wiedereingliederungsangeboten, welche die IV-Stellen anbieten können. Bei dem Wiedereingliederungsversuch übernimmt die IV während sechs Monaten die Lohnkosten sowie Kosten für allfällige Anpassungen beim Arbeitsplatz.
Der Mitarbeiter hat in einem Teilzeitpensum angefangen. Ziel war, dass er innerhalb der sechs Monate zu 100% arbeitstätig wird, um später im sogenannt ersten Arbeitsmarkt Fuss fassen zu können.
Nach einem halben Jahr hat Netcetera das Arbeitsverhältnis um ein paar weitere Monate verlängert. «Die Schwierigkeit sahen wir langfristig aus Perspektive des Mitarbeiters darin, dass er trotz guter praktischer Leistung keinen Berufsabschluss vorweisen konnte». Darum hat Netcetera dem Arbeitnehmer angeboten, zu bleiben und eine sogenannte Erwachsenen-Lehre, eine verkürzte Berufsausbildung, zu absolvieren. Er lernt nun bei Netcetera den Beruf des Informatikers mit Schwerpunkt Systemtechnik.
Gebot der Gleichbehandlung
Sonderstatus geniesst der erwachsene Lernende intern aber nicht. «Er wird behandelt wie alle anderen Mitarbeiter auch. Wir haben auch nur das Team, in dem er arbeitet, über seine spezielle Situation informiert. Für alle anderen ist er ein Mitarbeiter des Servicedesks», sagt Regina Vogt. Dieser Aspekt der Gleichbehandlung sei zentral. Ohne diese würde eine Wiedereingliederung nicht gelingen. «Alle Mitarbeitenden sollen die Chancen haben, sich zu etablieren. Es muss jedem selbst überlassen sein, wie viel er von sich Preis geben will», so Vogt.
Gut fürs Image
Trotz Diskretion: Intern hat sich herumgesprochen, dass Netcetera sich auch für Menschen mit Behinderungen engagiert. Zudem zählt Netcetera zu den Vorzeigebeispielen, welche die SVA öffentlich nennen darf, um die Wiedereingliederungsmöglichkeiten bekannt zu machen.
«Eines unserer wichtigsten strategischen Ziele ist es, uns als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren», sagt Regina Vogt. Die Wiedereingliederung des über die IV vermittelten Mitarbeiters trägt zu diesem Ziel bei. Sie ist Beweis dafür, dass den Worten auch Taten folgen können. Bei Netcetera spricht man von Signalwirkung nach innen. Krankheit oder Unfall können jeden treffen. Gut zu wissen, dass der Arbeitgeber sich auch dann kümmern will.
Und jetzt, wo die Wiedereingliederung beim Mitarbeiter in der IT-Abteilung geglückt ist? Netcetera sei weiterhin offen, auch anderen Menschen Möglichkeiten anzubieten. «Wichtig ist, dass der Mitarbeitende zum Unternehmen passt, alles andere kann man organisieren», sagt Personalchefin Regina Vogt. Sie rät ihren Berufskollegen in andere Unternehmen, unverbindlich bei der SVA nachzufragen. «Und auch während und nach der Wiedereingliederung keine Hemmungen zu haben, bei den IV-Stellen um Rat zu fragen», sagt sie.
Wiedereingliedungsmassnahmen
Entsprechend dem in der Invalidenversicherung geltenden Grundsatz «Eingliederung vor Rente» nehmen Versicherte in der Regel an Eingliederungsmassnahmen teil, die geeignet sind, ihre Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen, zu verbessern oder zu erhalten.
Die Integrationsmassnahmen sind insbesondere auf versicherte Personen mit psychisch bedingter Einschränkung der Arbeitsfähigkeit ausgerichtet. Voraussetzung ist, dass die versicherte Person seit mindestens 6 Monaten zu wenigstens 50% arbeitsunfähig ist und dadurch die Voraussetzungen für die Durchführung von Massnahmen beruflicher Art geschaffen werden können.